Frauen spielen im Sport noch nicht lange mit. Erst seit den 1970er-Jahren erobern sie nach und nach die verschiedensten Sportarten. Heute haben sich Frauen zwar in vielen Sportarten Anerkennung erkämpft, aber vor allem im Sportfachhandel ist noch einiges aufzuholen. Alleine mit „shrink and pink“ erreichen Sportmarken die sportliche Frau von heute nicht mehr. Senior Category Manager für Outdoor & Wintersport/Textil Verena Schledorn weiß, welche Entwicklungen den Bereich Sport und Frauen prägen, was Frauen wirklich vom Sportfachhandel erwarten und mit welchen Produkten die Marken auf das neue Selbstbewusstsein der sportlichen Frau reagieren.
Frauen erobern die Welt des Sports erst seit Kurzem
Profisportlerinnen wie Serena Williams oder auch Lindsey Vonn sind weltweit aufgrund ihrer sportlichen Leistungen bekannt und damit Vorbilder für viele junge Frauen. Dass heute Frauen in (fast) jeder Sportart ihren Mann stehen, ist mittlerweile nichts Neues mehr. Doch es ist noch gar nicht lange her, da waren Frauen noch kein Teil der Sportwelt. Und das nicht, weil sie nicht wollten. Nein, sie waren ganz einfach zu vielen sportlichen Veranstaltungen nicht zugelassen.
Tabubruch mit Folgen
Eine, die es wagte, war die Amerikanerin Kathrine Switzer. Sie meldete sich 1967 kurzerhand nur mit ihren Initialen beim Boston Marathon an, ging verkleidet an den Start und beging damit einen Tabubruch. Warum? Sie ignorierte den Umstand, dass beim Boston Marathon ausschließlich männliche Teilnehmer zugelassen waren. Leider wurde sie bereits nach nur zwei Meilen als Frau enttarnt. Und obwohl der Rennleiter ihre Teilnahme abbrechen wollte, gelang es Kathrine Switzer dank ihrer männlichen Begleiter, als erste Frau ins Ziel eines Marathons zu kommen. Ihre Zielzeit: 4:20. Der heutige Frauen-Weltrekord ist gut zwei Stunden schneller und männliche Begleiter benötigen die Teilnehmerinnen auch keine mehr. Kathrine Switzer legte mit ihrer Teilnahme am Marathon aber einen wichtigen Grundstein für die Akzeptanz von Frauen im Sport, schließlich erhitzte ihr Lauf die amerikanischen Gemüter.
Wohlbefinden, Endorphine und Adrenalin
Heute ist der Sport für viele Frauen ein ganz selbstverständlicher Teil ihres Lebens. Sie üben jede beliebige Sportart auf unterschiedlichen Leistungsniveaus aus. Gewandelt hat sich dabei in den letzten Jahren vor allem das Motiv. „Laufen, Walken, Yoga, Gruppenfitness und Schwimmen werden nicht mehr wie früher von den Frauen betrieben, um abzunehmen. Den Frauen geht es heute um Wohlbefinden, Stressausgleich, aber auch Endorphine und Adrenalin. Sport ist Teil des Lifestyles. Das Ideal ist nicht mehr Size Zero, sondern ein kraftvoller, vitaler Körper“, weiß Verena Schledorn, Senior Category Manager für Outdoor & Wintersport/Textil bei SPORT 2000 International.
Produkte für Frauen im Sportfachhandel wurden viel zu lange vernachlässigt
Im Unterschied zu Männern kaufen Frauen auch bei Sportartikeln und Sportmode häufiger ein und legen mehr Wert auf ein zeitgemäßes Aussehen. Das macht sie als Zielgruppe für den Sportfachhandel interessant. Das spezielle Angebot für die weibliche Zielgruppe wird zwar immer breiter und vielfältiger, dennoch ist es noch stark ausbaufähig. „Besonders im Outdoorbereich wurde lange Zeit nicht auf die speziellen Bedürfnisse der Frau eingegangen“, merkt Schledorn an und ergänzt: „Die ,female perspective‘ nimmt glücklicherweise zunehmend Einfluss auf die Produktgestaltung in vielen Bereichen.“ Vor allem der Passform kommt eine wichtige Rolle zu. Frauenkörper gibt es in verschiedenen Größen und Formen. Dennoch steht den Damen meist nur eine Standardauswahl im Handel zur Verfügung. Vorreiter sind hier Marken wie Athleta aus den USA, die Passform und Look zielgerichtet auf Frauen abstimmen und ein extrem großes Spektrum anbieten.
Frauen haben besondere Lebenssituationen
Wollen Sportmarken auch zukünftig erfolgreich sein, so müssen sich die Passform und das Angebot für besondere Lebenssituationen näher an den Bedürfnissen der Frauen orientieren, ist Schledorn überzeugt: „Wenn schwangere Frauen zum Beispiel Sport machen wollen, müssen sie meistens auf Relaxbekleidung zurückgreifen. Dass die Pregnancy Cycling Pants der Marke VELOINE Gewinner des ISPO Brandnew 2021 Award ist, ist kein Zufall.“ Sie weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass das Prinzip „shrink it and pink it“, also Sportartikel einfach kleiner und in „weiblichen“ Farben anzubieten, längst nicht mehr ausreicht. „Hier braucht es eine absolute Orientierung an den Anforderungen der Frauen“, so Schledorn. Ebenfalls einen wichtigen Schritt für Sportmarken sieht Schledorn in der weiblichen Verstärkung und Besetzung von Entscheidungs- und Führungspositionen: „Es ist meiner Meinung nach sehr wichtig, Frauen in Entscheidungspositionen stärker einzusetzen, da sie die Bedürfnisse der weiblichen Zielgruppe aus eigener Erfahrung und am besten kennen.“
So erobern Marken und der Sportfachhandel die Frauen
Einige Marken und Unternehmen haben das Potenzial der weiblichen Sportlerinnen bereits erkannt und Schritte in die richtige Richtung gesetzt. So engagieren sich die bekannten Outdoormarken The North Face oder auch Vaude sehr für das Thema „Frau im Sport“ und auch verspielte Marken wie Kari Traa treiben den Wandel voran. „Bei der Zielgruppe der Frauen ist es besonders wichtig, eine emotionale Bindung zu dem Geschäft herzustellen. Denn dort, wo sich Frauen wohl fühlen, kaufen sie auch tatsächlich ein“, so Schledorn und führt fort, dass globale Marken wie Lululemon bereits seit langem Yoga- und Fitnesskurse sowie Workoutsessions anbieten, um die Verbindung zwischen dem Geschäft und der Kundin zu stärken.
Sportwerbung für Frauen gelingt über Vorbilder
Auch im Bereich des Marketings braucht es ein Umdenken, um die Frauen zukünftig zu erreichen. Mit etablierten und bei Männern durchaus erfolgreichen Modellen wie Bandenwerbung im Fußballstadium ist frau nur schwer zu begeistern. Sie wünscht sich von den Marken, genau dort abgeholt zu werden, wo sie steht, und dabei möglichst effektiv mit der Marke in Verbindung treten zu können. Dabei spielen aktuell laut Schledorn Celebrities oder Influencerinnen eine große Rolle. Sie integrieren Sport als Teil ihres Lifestyles und begeistern damit viele Frauen weltweit. Besonders erfolgreiche Influencerinnen sind hier z. B. Kayla Itsines, Pamela Reif oder auch Sophia Thiel. Sie alle haben einen sportlichen Background und leben den Sport als Teil ihres täglichen Lebens. Diese Authentizität macht sie so erfolgreich.
Der Sportfachhandel kann mit zielgerichteter Beratung und einer auf die Bedürfnisse von Frauen abgestimmten Umgebung, wie einer frauenaffinen Umkleidemöglichkeit oder nach Gender getrennten Abteilungen, zukünftig bei den Damen punkten.
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